Der
Steckfroschbogen
Einführung in
die Geschichte, Bauart und seine Spieleigenschaften
Etwa 250 Jahre lang waren für
alle Arten europäischer Streichinstrumente ausnahmslos
Steckfroschbögen im Einsatz. Als Weiterentwicklung der
spätmittelalterlichen Bogentypen bauten innovative
Instrumentenbauer um ca. 1500 erstmalig Streichbögen, deren
Haarbezug durch ein lose eingestecktes Holzkeilchen - den
sogenannten Steckfrosch - vom Stangenholz weggespreizt
wurde. In einem simplen System - eine kleine Einkerbung in
der Stange, in die die vordere Ecke des Frosches einrastet
- wird der Frosch durch die Spannung des Haarbezugs
eingeklemmt und abgesichert.
Der Nachteil dieser Bauweise liegt auf der Hand: Die
Spannung des Bezugs wird bei der Endfertigung des Bogens
festgelegt und kann nicht mehr, wie bei einem
Schraubmechanismus, nachreguliert werden. Einige moderne
Bogenbauer erleichtern den Spielern das Leben, indem sie zum
Bogen zwei unterschiedlich große Frösche - je nach
Luftfeuchtigkeit auszutauschen - mitliefern. Ich persönlich
bin ein fauler Mensch und stecke lediglich kleine
Kartonschnipsel von Tiefkühlpizza-Kartons unter die Haare
meiner Steckfroschbögen, wenn im Hochsommer in Kirchen
musiziert wird. Auf Darstellungen des 17. Jahrhunderts sieht
man kleine Lederfleckchen oder ein Hölzchen eingeklemmt, um
mehr Spannung auf den Haarbezug zu bringen.
Im 16. und 17. Jahrhundert und in einem großen Teil des 18.
Jahrhunderts wurde auf diesen Bögen gespielt. Erst aus der
Zeit um 1750 sind die ersten authentischen Schraubmechaniken
überliefert. Noch in den (17)70er Jahren finden sich in
Katalogen englischer Musikalienhändler neben den Bögen mit
Mechanik auch die (billigeren) Steckfroschbögen angeboten.
Man kann also davon ausgehen, dass noch in der Epoche der
Klassik in vielen Fällen auf Steckfroschbögen gespielt
wurde.
Länge und Durchmesser der Stange änderten sich gewaltig im
Verlauf der besprochenen Zeitspanne: Bögen für Gambe und
Violine unterschieden sich zuerst nicht in der Bauart: Kurze
(50 bis 60 cm lange), gedrungene Stangen (eine Anzahl
solcher Bögen sind in der Sammlung Alter Musikinstrumente
des Kunsthistorischen Museums in Wien zu sehen), aus
Tropenholz gefertigt, mit hohen Fröschen und schwarzen
Pferdehaaren ergaben das Standardmodell bis ins frühe 17.
Jahrhundert. Aber schon zu Ende des 16. Jahrhunderts wurden
auch längere und schwerere Bögen für die Gambe gebaut. Als
Holz kamen verschiedene schwere Tropenhölzer wie
Schlangenholz, "Eisenhölzer" und auch Fernambuk zur
Verwendung.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurden die Bögen um einige
Zentimeter länger, die Stangen feiner proportioniert: Die
dünnste Stelle im Stangenquerschnitt kurz vor dem Kopf ist
bei vier erhaltenen Violinbögen deutscher Provenienz aus dem
späten 17. Jahrhundert weniger als 4 mm stark! Der Kopf
vieler Originalbögen bis in die Bach-Zeit ist derartig
filigran, dass beim Ausstechen des Kästchens für den Bezug
größte Umsicht erforderlich ist. Das Gewicht eines
Violinbogens aus Schlangenholz aus der Epoche Bibers beträgt
etwa 36g. Noch ist kein Vorbiegen der Stange nötig, beim
Einsetzen des Frosches wird die Stange vor allem an der
zarten Kopfseite stark konvex gespannt. Diese Bögen arbeiten
mit weniger als 100 Haaren hervorragend - speziell bei
schnellen Läufen und mit einiger Übung kann der Geiger
wunderbar "in der Saite" spielen.
Ein schönes Beispiel aus der Bach-Zeit ist der Bogen zu
einer Viola d´amore von Caspar Stadler, 1714, der sich heute
im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg befindet. Mit
kurzen Silberstiftchen wurde zusätzlich ein florales Muster
an Stange und Frosch angebracht, der flache Kopf hat schon
rudimentär Ansätze der im späten 18. Jahrhundert üblichen
Ausformung (z.B.: gebrochene Phasen, "Näschen"). Auch der im
Wiener Kunsthistorischen Museum befindliche Violinbogen aus
Lärchenholz (mit einem für jene Zeit ungewöhnlich hohen
Kopf) gehört jener Epoche an.
Schließlich sei auf die Darstellung der Violinbögen in
Leopold Mozarts berühmter Violinschule von 1756 verwiesen:
Die schon ziemlich langen Stangen - vgl. die Abbildung oben
- ( vielleicht aus Lärche, weil recht stark im Querschnitt?
) sind eindeutig Darstellungen von Steckfroschbögen, am
deutlichsten ist das in Fig. IV. zu erkennen.
Ab den 1740er Jahren war man in Frankreich in der Lage,
maschinell in größerer Stückzahl Gewinde zu verfertigen. Das
ist auch der Zeitpunkt, ab dem gesichert die ersten Bögen
mit Schraubmechanik auftauchen. Ein sehr schönes Beispiel
der Übergangszeit stellt der Elfenbeinbogen dar, der
gemeinsam mit der 1749 datierten Schildpattgeige von Wenzel
Kowansky im KHM Wien ausgestellt wird. Der äußerst elegante
Frosch ist schon mit einer Mechanik versehen und wird durch
ein langes Gewinde mit einem schlanken Beinchen verbunden.
Der Haarbezug aber läuft noch wie beim Steckfroschbogen um
die Unterseite des Frosches herum und wird oben an der
Berührungsseite mit der Stange in ein Kästchen zur
Befestigung geleitet.
Da der Einbau einer Mechanik in einen Bogen eine
Arbeitserschwernis darstellte und daher solche Bögen auch
teurer waren (und sind), finden sich bis in die späten
1770er Jahre beide Bauarten nebeneinander, bis letztendlich
jeder neue Bogen mit einer Schraubmechanik versehen wurde.
Gute Bögen aus den früheren Tagen wurden nicht selten
nachträglich mit einer Mechanik versehen (Originale in
Brüssel und München), was jedoch das Gewicht am Frosch
erhöhte und den Bogen nicht immer verbesserte. Auch der
Klang änderte sich mit der Mechanik, da von nun an der Bezug
nicht mehr an beiden Enden direkt an der Stange befestigt
war.
Als Geiger und Bratschist
baue und verwende ich seit etwa acht Jahren für Musik vor
ca. 1750 Steckfroschbögen und habe (nach anfänglichen
Umstellungsschwierigkeiten) die unterschiedlichen Modelle zu
spielen und schätzen gelernt. Schwer fällt anfänglich die
Froschhöhe (der Abstand zwischen Haaren und Stange beträgt
bei manchen Modellen 24 mm) und damit verbunden die
Stabilität beim Spiel in der unteren Bogenhälfte. Hat man
sich einmal an die Kürze der Bögen gewöhnt (meine kürzesten
Bögen haben eine spielbare Haarlänge von 45 cm) und spielt
ausschließlich und intensiv für Monate diese Bögen, so
erscheinen einem die überlangen pseudo-Barockbögen mit
Schraubmechanik, die meistens von Streichern in der Alten
Musik verwendet werden, schwerfällig, da die
Gewichtsverlagerung und -Vergrößerung ein völlig anderes
Spielgefühl mit sich bringt.
Für die Bögen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts benütze
ich zudem schwarze Pferdehaare, die etwas rauher sind. Das
bringt vor allem auf d- und g-Saite der Violine (ich benütze
reinen Darm ohne Umspinnung wie in Italien noch zu Vivaldi´s
Zeit gebräuchlich) einen intensiveren und schnellerer
Zugriff auf die Saite, die ja unvergleichlich träger als
eine Saite mit Silberumspinnung reagiert.
In einem fein ausgewogenen Verhältnis zu einer korrekt
rekonstruierten Geige
aus der Zeit um 1600 bringen nach meinem Dafürhalten diese
Bögen die besten Ergebnisse bei Musik von Marini, Schmelzer
und Uccellini.
Rainer Ullreich, Wien |