Das
Kolophonium
Begriff -
Zusammensetzung - Wirkungsweise
Dieses oft vernachlässigte, manchmal aber
auch zur Philosophie hochstilisierte Material, das beim
Kontakt von Saite und Bogenhaar erst einen hörbaren Ton
ermöglicht, birgt so manches Geheimnis, das gelüftet werden
will.
Seinen Namen verdankt es der antiken Stadt Kolophon in
Kleinasien, in der es schon im Altertum in hoher Qualität
hergestellt wurde. Nach neuer deutscher Rechtschreibung
müsste man eigentlich "Kolofonium" schreiben, aus
ästhetischen Gründen wird darauf verzichtet. Nach dem
Destillieren von Terpentinöl aus den Harzen von Nadelbäumen
(Pinien, Kiefern, Fichten, Tannen, Lärchen) gewinnt man es
aus den Rückständen . In der Hauptsache besteht es aus
Harzsäuren (Abietinsäure) und dient u.a. als Heilmittel und
Räucherstoff, zur Herstellung von Lacken und Firnissen und
als Bogenharz.
Billiges Kolophonium, gefertigt aus Abfallprodukten der
Papierherstellung, verhilft zwar auch zur Tonerzeugung, der
Unterschied zu handgefertigten Produkten ist jedoch deutlich
hörbar.
Anfang des 20. Jahrhunderts unterschied man zwischen
französischem bzw. amerikanischem Kolophonium mit gelblicher
Färbung und bräunlichem deutschen Kolophonium. Beide Arten
sind jedoch durchsichtig oder durchscheinend, in festem
Zustand geruchlos oder von schwachem terpentinartigen
Geruch, löslich in Alkohol, Aceton, Chloroform, Schwefelkohlenstoff und Terpentinöl.
Über die genauen Rezepturen der verschiedenen auf dem Markt
erhältlichen Kolophoniumsorten ist uns leider nichts
bekannt, da diese von den Herstellern als
Betriebsgeheimnisse gehütet werden.
Man kann die Produkte jedoch grob in zwei Gruppen
unterteilen, deren Unterschied zwar klein erscheint, jedoch
gravierende Auswirkungen hat. Gemeint ist der Ausgangsstoff
Lärchenharz auf der einen Seite und alle anderen
Nadelholzharzarten, wie Pinien-, Kiefern-, Fichten- oder
Tannenharz auf der anderen Seite. Bei jeder Gruppe gibt es
hervorragende Produkte, die den Musiker überzeugen können
und - allein aufgetragen - ihre volle Qualität präsentieren.
Man sollte jedoch nie den Fehler begehen,
Lärchenharzkolophonium mit anderen Kolophoniumsorten zu
mischen. Tut man es doch, so kommt es zu einer Reaktion der
beiden Sorten untereinander, das Kolophoniumgemisch haftet
nicht mehr an der Saite und kann sie kaum aus ihrer
Ruheposition bewegen. Man hat das Gefühl, die Bogenhaare
seien mit Seife eingestrichen.
Eine Reinigung der Haare mit Wasser und Seife oder gar mit
Spiritus nützen gar nichts. Das Kolophonium lässt sich mit
Wasser nicht wirklich auswaschen, und Alkohol weicht das
Kolophonium auf. Es verbindet sich mit anderem Schmutz auf
den Haaren und verklebt sie. Außerdem ist Vorsicht geboten,
weil Alkohol den Lack bzw. die Politur der Bogenstange
anlöst und so große Schäden verursachen kann. Um den Bogen
wieder funktionstüchtig zu machen gibt es leider nur eine
Möglichkeit: der Haarbezug muss ausgewechselt werden. Das
Gleiche gilt auch für jede andere Verschmutzung in den
Haaren.
Der Grund für die unterschiedlichen
Kolophoniumseigenschaften mag im Unterschied der Baum- und
Harzeigenschaften liegen. Wie bekannt ist die Europäische
Lärche (Larix decidua) der einzige einheimische Nadelbaum,
der im Herbst sein Laub abwirft, um im Frühling wieder neu
auszutreiben. Welche chemischen Prozesse jedoch genau für
die oben beschriebene "Verseifung" zuständig sind, müsste
von einem Fachmann untersucht werden.
Es wird immer wieder die Frage gestellt, welches Kolophonium
wohl das Beste sei. Darauf gibt es jedoch keine einfache
Antwort. Welche Sorte der Musiker wählt, hängt außer von
seinem Instrument auch von seinem Tonideal und seiner
Spielweise ab. Je nach Kochtemperatur gibt es verschiedene
Härtegrade, angepasst an die verschiedenen Instrumente von
der Geige bis hin zum Kontrabass. Unterschiedliche
Herstellungsverfahren und Beimengungen bestimmen den
Schmelzpunkt bzw. Schmelzbereich des Kolophoniums, der sich
wiederum auf die Klangeigen-schaften auswirkt
Nach einer Studie von Anders Askenfeld (Schweden) erhitzt
sich das Kolophonium bei der Tonerzeugung durch Reibung auf
der Saite im mikroskopischen Bereich bis zu einer Temperatur
von 70-90°C und schmilzt. Dadurch verliert das Bogenhaar
kurzzeitig den Kontakt zur Saite, um an einer anderen
"kalten" Stelle wieder zu haften und die Saite erneut
mitzunehmen. Askenfeld verdeutlicht diesen Vorgang mit Hilfe
von hochempfindlichen Temperaturkameras, die die
unterschiedlichen Temperaturen von Geige, Saiten, Händen,
Bogenhaaren und Kontaktstellen etc. genau erkennen lassen.
Bei wärmeren und kälteren Außentemperaturen ist die Reibungsenergie
unterschiedlich, die aufgebracht werden muss, um das
Kolophonium zum Schmelzen zu bringen. Aus diesem Grund
spielt sich ein Instrument in kalten Kirchen anders als in
heißen Konzertsälen. Manche Musiker versuchen dem
entgegenzuwirken, indem sie Kolophoniumsorten einer
Gruppe bzw. eines Herstellers mit verschiedenen
Schmelz-punkten verwenden, z. B. weiche in der Kirche und
harte im Konzertsaal.
Bei der Herstellung von hochwertigem Kolophonium wird darauf
Wert gelegt, dass es beim Auftragen und beim Spielen wenig
staubt. Das ist besonders wichtig, da der Kolophoniumstaub
die Nasenschleimhäute reizen kann. Manche Menschen
reagieren allergisch darauf, was sich in geschwollenen
Schleim-häuten, Niesanfällen, Brennen in Mundhöhle, Nase und
Augen und sogar mit Bläschenbildung auf der Gesichtshaut
äußern kann. Doch glücklicherweise treten solche Allergien
nur selten auf. Ist man jedoch beispielsweise gegen ein
Kolophonium aus Lärchenharz allergisch, heißt das noch lange
nicht, dass man gegen die andere Gruppe von Kolophonium
dieselben Reaktionen zeigt.
Anke Gerbeth |